Karl Klaus von der Decken
[S. 221-224]
Im Jubaſtrome liegt geſtrandet,
Ein traurig Wrack, auf felſ’gem Riff
Von wildem Wogenſchwall umbrandet,
Der Dampfer Welf, das ſtolze Schiff.
Es ſchwillt die Flut mit lautem Toſen
Hohl gurgelnd durch ein klaffend Leck,
Und haſtig eilen die Matroſen,
die Güter bergend auf dem Deck.
Doch ruhig läßt ein Lager ſchlagen
Am Uferrand, vom Wald umhegt,
Karl von der Decken ohne Zagen,
Im tiefſten Unglück unbewegt.
Ihn, der zuerſt die glanzumfloſſnen
Kilimandſcharogletſcher fand,
Zog’s weiter zu dem halberſchloſſnen
Geheimnis von Somaliland.
Er zagt nicht, wenn aus Waldesdunkel
Die Elefantenherde bricht,
Und der Somalis Haßgefunkel
Im glüh’nden Auge ſchreckt ihn nicht. –
Es ſchwebt der Adler einſam oben,
Hoch über ihm, im Ätherlicht,
Ob Blitze zucken, Stürme toben,
Sein kühner Flug ermattet nicht. –
Bis hierher war die Fahrt gelungen,
Das Land geöffnet der Kultur,
Dem Graun der Wildnis aufgezwungen
Des deutſchen Forſchers kühne Spur. –
Zu Fuß gedacht’ er ſeinem Ziele
Zu folgen ſtets am Strom entlang,
Doch ward ein Raub der Krokodile
Sein Schlachtvieh, das im Strom ertrank.
Nun fand ſich meiſt der Händler Haufen
Dort in der Stadt Badera ein,
Da wollt’ er ſchleunig neues kaufen,
Und hoffte bald zurück zu ſein.
Und kaum entfloh’n dem Wellenbade,
War Decken ſchon mit eil’gem Gang
Verſchwunden auf dem ſchmalen Pfade –
Der Abſchied kurz, die Trennung lang. –
Im Lager herrſchte tiefes Schweigen,
Und dumpfe Stille rings im Wald:
Da rauſcht’s im Rohr und in den Zweigen
Schleicht panthergleich im Hinterhalt.
Und plötzlich bricht die wilde Horde
Hervor mit teufliſchem Geſchrei:
Die Pfeile ſchwirr’n es ſchwelgt im Morde
Das Schwert, der Dolch, die Aſſegai!*)
Ein wüſtes Traumbild ſcheint zu necken
Die Mannſchaft; waffen-, führerlos
Beut den Somalis voller Schrecken
Sie dar die Bruſt zum Todesſtoß.
Zu ſpät ergreifen ſie die Waffen,
Man gönnt den Opfern keine Friſt;
Bevor ſie noch die Wehr erraffen,
Erliegen ſie der Hinterliſt –
Nur einer ſteht inmitten Leichen,
Held Brenner, wie ein Fels im Meer,
Mit ſeiner Büchſe ohne Gleichen
Den Tod verſendend um ſich her:
Da flieht der Feind, erfaßt von Grauen –
Verſchwunden iſt das Traumgeſicht,
Und nur der Tod iſt’s, der der rauhen
Schmerzvollen Wahrheit Sprache ſpricht.
Es ſinkt die Nacht, die grimme Meute,
Hyän’ und Schakal, ſtreiten ſchrill
Und heiſer lachend um die Beute,
Da brüllt der Leu, und es wird ſtill –
Doch nach dem Führer ſchau’n vergebens
Die Freunde aus in banger Qual:
Ihm ſetzte früh das Ziel des Lebens
Der Meuchelmord mit tück’ſchem Stahl.
Zum Kreuz des Südens hob die Hände
Er auf, bevor ſein Auge brach:
Daß ihm ein Rächer auferſtände
Aus deutſchem Blut für deutſche Schmach.
Und funkelnd ſtrahlte, wie gewährend,
Mit ſtill verheißungsvollem Licht
Das Kreuz am Himmel, ſanft verklärend
Des toten Forſchers Angeſicht. –
Nur wen’ge trug der Strom hernieder
Im ſchwanken Kahn zum Meeresſtrand:
Da ſank zum Grund des Juba wieder
Der Schlüſſel vom Somaliland. –
Anmerkungen. [S. 283f]
*) Negerworte: […] Aſſegai (eigentlich eine Pluralform: Ma-ſegai) der Wurfſpeer. […]
aus: Kurt Hoffmann,
Deutſche Lieder und Geſänge. Dresden 1905